Bild von einer zusammengeklappten Zeitung

Forschungsinstitut: Bericht zu Fallzahlen und Entwicklungen im Jugendamt

Im Jugendamt des Landkreises Bad Dürkheim arbeiten inzwischen mehr als 100 Personen täglich daran, dass Hilfe dort ankommt, wo sie benötigt wird. Aber was genau tun sie und welche Ursachen und welche Folgen hat das? Das hat das Mainzer Institut für Sozialpädagogische Forschung (ISM) unter die Lupe genommen. Das Institut begleitet seit 2002 für alle 41 Jugendämter in Rheinland-Pfalz die landesweite Berichterstattung zu Entwicklungstrends und bedarfsgenerierenden Einflussfaktoren im Bereich der Hilfen zur Erziehung und ermöglicht so ein kontinuierliches Monitoring und abgestimmte Planungsprozesse für Land und Kommunen.

ISM-Geschäftsführer Heinz Müller hat die Ergebnisse des Berichtsjahrs 2022 vor Kurzem im Jugendhilfeausschuss des Landkreises vorgestellt und kommt zu dem Fazit: „Die Zahlen sind gut. Wir können positive Entwicklungen aufzeigen. Das Jugendamt des Landkreises Bad Dürkheim hat an vielen Stellen auch mit dem Jugendhilfeausschuss zusammen die richtigen Weichenstellungen vorgenommen.“ Dem Ersten Kreisbeigeordneten Timo Jordan zufolge zeige der Bericht, welche wichtigen Aufgaben sich dem Jugendamt stellen und was abgearbeitet werden müsse. Er dankte den „engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in schwierigen Zeiten einen guten Job machen“.

Müller betonte zu Beginn die Herausforderungen, vor denen Jugendämter landauf, landab derzeit stehen, und sprach von einer „historisch besonderen Situation“. Denn: „Noch nie wurden in den vergangenen 30 Jahren in so kurzer Zeit vom Gesetzgeber so viele strukturelle Änderungen auf den Weg gebracht oder sollen auf den Weg gebracht werden“, so Müller. Das falle zusammen mit den Folgen der Pandemie, Kriegen mit starken Fluchtbewegungen und der Inflation. „All das trifft in besonderer Weise Menschen, die es sowieso schon schwer haben“, betont der ISM-Geschäftsführer und verweist damit auf Gründe für steigende Fallzahlen im Bereich der Jugendämter. Und das wiederum kollidiert mit einem eklatanten Fachkräftemangel.

Kinderarmut ist laut Müller ein zentraler Einflussfaktor bei der Bedarfslage in der Kinder- und Jugendhilfe. Steige die Kinderarmutsquote im Landkreis nur um ein Prozent, würde das in der Folge Mehrausgaben von jährlich 900.000 Euro verursachen, berichtet er von entsprechenden Berechnungen. 

Die Fallzahlen bei den Hilfen zur Erziehung sind im Landkreis seit 2020 von 540 um 81,5 Prozent auf 980 gestiegen. Nimmt man die vergangenen fünf Jahre „pendeln sich die Zahlen so um die 1000 Fälle ein“, sagt Müller. Dass landesweit trotz deutlich gestiegener Bedarfslage die Fallzahlen zuletzt leicht rückläufig seien, erklärt der ISM-Geschäftsführer so: „Die Daten bilden die Folgen des Fachkräftemangels ab. Das ist schwierig und fordert uns neu heraus. Wir brauchen neue Konzepte, wie wir trotz des Mangels mit den Bedürfnissen der jungen Menschen umgehen.“ Es drohe ein „Hilfestau“, wegen dem dann auch der Ansatz, möglichst früh auch präventiv zu unterstützen nicht mehr greife, „weil einfach nicht genug Leute da sind“.

Verstärkt wird weiterhin die ambulante Hilfe, bei der sich seit 2002 die Fallzahlen verdreifacht haben. „In der Heimerziehung sind es relativ stabil um die 160 Fälle jährlich im Landkreis, gleiches gilt für die rund 170 Pflegekinder.  „Es ist gut, dass es im Landkreis ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen Heimerziehung und Pflegekinderhilfe gibt. So kann immer geprüft werden, was der betroffene junge Mensch braucht“, berichtet Müller.

Auch auf den schwierigen Themenkomplex der Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge ging Müller ein: „Die Migrationsentwicklung auf der Welt ist nicht mit einfachen Mitteln zu lösen. Wir brauchen mitschwingende Konzepte, da die Bewegungen schwanken und nicht vorhersehbar sind. Wir müssen in der Kinder- und Jugendhilfe raus aus dem Krisenmodus. Das fehlt aber in ganz Deutschland noch.“ Laut Erstem Kreisbeigeordnetem Timo Jordan sind aktuell 78 Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Landkreis untergebracht. Die dadurch entstehenden Herausforderungen betreffen nicht nur die Unterbringung der Jugendlichen, sondern auch Fragen nach Betreuung, Schulplätzen, Integration, Sprachkursen und Traumabewältigung.

„Durch die Decke“ gehen die Zahlen laut Müller in ganz Rheinland-Pfalz bei den Eingliederungshilfen für Kinder und Jugendliche mit drohender oder festgestellter Behinderung. Auch hier fordert er „neue Konzepte, damit Kinder nicht erst einen Behinderungsstempel brauchen, um geholfen zu bekommen. Denn der Stempel hat Folgen für das ganze Leben.“ Hier sind die Fallzahlen im Landkreis von 69 im Jahr 2002 auf 207 im vergangenen Jahr gestiegen.

Laut Jordan soll es diesen Bericht künftig regelmäßig geben, um permanent einen klaren Blick auf die komplexe und verantwortungsvolle Arbeit des Jugendamts zu haben.